In den Jahren 2010 – 2017 wurden durchschnittlich 1 Millionen Tonnen Sonderabfälle pro Jahr nach Sachsen importiert, wobei der überwiegende Teil aus anderen Bundesländern und europäischen Staaten stammte. Die meisten Sonderabfälle kamen aus Italien. Der überwiegende Teil der Sonderabfälle, die aus dem Ausland in Sachsen entsorgt wurden, waren gefährliche Abfälle. Das statistische Landesamt Sachsen veröffentlicht jährlich entsprechend den gesetzlichen Grundlagen für die Erhebung der Abfälle auch Sonderabfallbilanzen. Zu den gefährlichen Abfällen gehören unter anderem Abfälle aus der chemischen Industrie, Altöl und mineralische Abfälle, Klärschlämme und Filtermaterialien mit schädlichen Verunreinigungen, Abfälle aus Abfallbehandlungsanlagen und – quantitativ im Freistaat Sachsen besonders relevant – belastete Bau- und Abbruchabfälle.

Die Zahlen zeigen: Sachsen verfügt über eine starke Kreislaufwirtschaftsbranche mit leistungsfähigen Anlagen zur Verwertung und Beseitigung gefährlicher Abfälle. Diese ziehen wie ein Magnet gefährliche Abfälle aus der ganzen Welt an. Sonderabfälle, ihre Sammlung, Transport, Lagerung sowie die Prozesse der Wertstoffgewinnung oder der Beseitigung sind mit Gefahren für Mensch und Umwelt verbunden. Der Umgang mit solchen Abfällen erfordert besondere Steuerung und Überwachung durch die zuständigen Behörden.
Beispiel Cröbern
Eine Ursache für diese hohe Importquote liegt in überdimensionierten Planungen von Deponien und Abfallanlagen auf der Grundlage überhöhter Abfallmengenprognosen in den Neunzigerjahren. So gehört zum Beispiel die damals geplante Deponie Cröbern (Großpösna OT Störmthal) heute zu den leistungsfähigsten Anlagen Europas. Um die geplante und genehmigte Deponiekapazität von ca. 12,8 Mio. m³ kostendeckend zu verfüllen sowie die Rekultivierungsmaßnahmen und die Deponienachsorge zu finanzieren, sind die Betreiber wirtschaftlich gezwungen, bis voraussichtlich in das Jahr 2035 große Mengen von für die Deponierung zugelassenen Abfällen (unbehandelte Abfälle, wie zum Beispiel Restabfall und Sperrmüll dürfen seit 2005 nicht mehr deponiert werden) anzunehmen
Der 1. Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtages in der 5. Legislaturperiode ,,Abfallmissstands-Enquete“ arbeitete bis Mitte 2014 heraus, dass Abfallimporte besonders überwachungspflichtiger Abfälle entscheidend sind für die wirtschaftliche Stabilität der Deponie Cröbern. Eine besondere Rolle spielten Abfalllieferungen aus ltalien, die oft wegen Problemen mit Deklarierung und Herkunft in das Visier von Ermittlungsbehörden gerieten. (vgl. Abschlussberichte des Untersuchungsausschuss sowie die abweichenden Berichte von LINKEN und GRÜNEN, Drs. 5/14441)
Und auch in den Jahren 2016 und 2017 wurde wieder ein Großteil der Jahreskapazität der Deponie Cröbern von 1,2 Millionen Tonnen jeweils mit gefährlichen Abfällen aus Italien (147.000 in 2016 bzw. 130.000 Tonnen in 2017) abgedeckt. Der Großteil der Transportfahren aus Italien erfolgt intermodal (Container auf der Bahn), über die „rollende Landstraße“ (LKW auf dem Waggon) oder über direkten Bahntransport (Abfall im Bahnwaggon). Das ermöglicht eine erhebliche Minimierung der LKW-Strecken. Doch es gibt nach wie vor Speditionen, die die gesamte Strecke von Italien nach Cröbern mit dem LKW zurücklegen. So wurde Anfang November 2018 am Hermsdorfer Kreuz ein schrottreifer Sattelzug aus dem Verkehr gezogen, welcher illegal 18 Tonnen Dämmmaterial aus gefährlichen Stoffen zur Deponie Cröbern transportieren wollte. Eine Kleine Anfrage von mir ergab nun, dass die Spedition in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen illegaler Abfälle und mangelhafter Fahrzeuge aufgefallen ist. Bei Kontrollen wurden immer wieder u.a. defekte Big Bags, lose umherliegendes Dämmmaterial, Mängel am Sattelauflieger oder defekte Hydraulik festgestellt. Grenzüberschreitende Transporte von gefährlichen Abfällen aus Italien durch diese Spedition gehen überwiegend (in ca. 300 Fällen) zur Deponie Cröbern.
Lösungsvorschläge
- Es bedarf dringend einer Strategie, die kommunalen Betreibern wie die der Deponie Cröbern eine wirtschaftliche Auslastung ihrer Kapazität mit Abfällen aus der Region ohne dieses enorme Ausmaß an Importen ermöglicht, Gefahren durch die beschriebenen halsbrecherischen Transportpraktiken zurückgedrängt sowie den Menschen in Sachsen neue Deponien erspart.
- Dazu muß sichergestellt werden, dass Abfälle in der Region verarbeitet und nicht durch halb Europa gefahren werden. Wie das geht, zeigt Baden-Württemberg mit seiner Autarkieverordnung.
- Notwendig ist auch eine verstärkte staatliche Fach- und Rechtsaufsicht aller abfallrechtlich relevanten Aktivitäten. Die Abfallüberwachung soll dafür personell und technisch aufgestockt werden.
- Eine landesweite Planung und Ausnutzung vorhandener Anlagen sorgt dafür, dass die Stoffströme der verschiedenen Abfallarten und Touren optimiert, Leerfahrten reduziert werden sowie höherwertige Bioabfallverwertung in kommunalen Anlagen ermöglicht wird.
- Um die Lenkungs- und Kontrollfunktion des Freistaates besser ausüben zu können, schlagen wir die Einrichtung einer staatlichen Sonderabfallagentur vor. Alle gefährlichen Abfälle, die in Sachsen anfallen oder entsorgt werden sollen, müssen dann bei dieser Sonderabfallagentur angedient werden. Diese Andienungspflicht ermöglicht die Durchsetzung einer gesicherten, ordnungsgemäßen und umweltgerechten Verwertung und Beseitigung gefährlicher Abfälle, die bessere Auslastung bestehender Deponien und Anlagen mit Abfällen aus der Region.